Die Entstehung und Entwicklung des Schulverbunds
Die Initiative zur GrĂŒndung eines damals zunĂ€chst sogenannten Arbeitskreises reformpĂ€dagogisch orientierter Schulen stammt von Otto Seydel, damals Lehrer im Landerziehungsheim Salem und Leiter der PĂ€dagogischen Arbeitsstelle der Landerziehungsheime. Der âNukleusâ fĂŒr diese Idee entstand im Herbst 1988 am Rande einer Tagung der Robert Bosch Stiftung zum âPraktischen Lernenâ: Was könnten wir tun, um âalteâ und âneueâ reformpĂ€dagogisch orientierte Schulen zusammenzubringen, vor einem institutionellen âBurnoutâ zu schĂŒtzen und in ihrer Arbeit zu ermutigen?  Es gelang Otto Seydel, die Robert Bosch Stiftung fĂŒr eine Anschubfinanzierung sowie Christel GrĂŒnwald (zu dem Zeitpunkt Mitarbeiterin der Ecole dÂŽHumanitĂ©, Assistentin von Ruth Cohn) als Co-Moderatorin zu gewinnen. Sie war auch die Erfinderin des Namens âBlick ĂŒber den Zaunâ. In zahlreichen VorgesprĂ€chen mit Wolfgang Harder (damals Leiter der Odenwaldschule), Otto Herz (damals im Bundesvorstand der GEW), Will LĂŒtgert (damals Wissenschaftlicher Leiter der Laborschule) und anderen wurde das Konzept weiterentwickelt und das Netzwerk der beteiligten Schulen aufgebaut. Von Seiten der Robert Bosch Stiftung waren es vor allem GĂŒnter Gerstberger und Beate Bernauer, die sich fĂŒr dieses Konzept und seine Umsetzung einsetzten.
Die Grundidee war: Schulen, die einer Ă€hnlichen âPhilosophieâ folgen und sich entweder in reformpĂ€dagogischer Tradition oder in den 70-er und 80-er Jahren durch neue, an dieser Tradition orientierte Konzepte besonders profiliert haben, sollen mit- und voneinander lernen. FĂŒr dieses Ziel wurden drei Wege erprobt: (1) regelmĂ€Ăige Hospitationsbesuche (sogenannte Schultagungen) mit anschlieĂenden Reflexionsrunden, (2) ein Informationsdienst und (3) Expertentreffen fĂŒr didaktische Themen. Auf diese Weise sollte ein gemeinsames Wissen ĂŒber die Besonderheit dieser Schulen entstehen, sollten zugleich Kriterien fĂŒr Unterrichts- und SchulqualitĂ€t schĂ€rfer in den Blick genommen werden, mit dem Ziel, dieses Wissen allen beteiligten Schulen und einer interessierten Ăffentlichkeit zugutekommen zu lassen. Von den drei Wegen bewĂ€hrte sich in der Praxis vor allem der erste, die regelmĂ€Ăigen Hospitationsbesuche in den teilnehmenden Schulen.
Der Kreis der Schulen wurde von den Initiatoren so zusammengestellt, dass nicht nur gemeinsame pĂ€dagogische Ăberzeugungen sichtbar wurden, sondern auch die groĂe Vielfalt ihrer Umsetzung und der unterschiedlichen Schulprofile. Zu diesem Kreis gehörten
- Schulen in staatlicher TrÀgerschaft: die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, die Offene Schule Kassel-Waldau, die Glockseeschule in Hannover, die Bielefelder Laborschule
- Schulen in freier TrĂ€gerschaft: die katholische Montessori- und Marchthaler-Plan-Schule St. Martin in Friedrichshafen, die Montessorischule Krefeld, die Waldorfschulen in Wangen und Ăberlingen,
- Schulen aus dem Kreis der Landerziehungsheime: Stiftung Louisenlund, Schule Marienau und Landschulheim Holzminden, Landschulheim SteinmĂŒhle und Odenwaldschule, Birklehof und Schule Schloss Salem, Landheim Schondorf sowie aus der Schweiz die Ecole dÂŽHumanitĂ©.
Am 8./9. November 1989 (zeitgleich mit dem historischen Ereignis des Mauerfalls und der Ăffnung der Grenzen zwischen BRD und DDR), trafen sich Mitglieder aus diesen Schulen zu der konstituierenden Veranstaltung in der Odenwaldschule. Der erste Hospitationsbesuch an der Bodenseeschule St. Martin in Friedrichshafen wurde vereinbart und zugleich wurde festgelegt, dass der Arbeitskreis konstant bleiben sollte: Jede Schule benannte zwei Personen, die in den folgenden Jahren kontinuierlich an den Treffen teilnehmen wĂŒrden. Auf diese Weise sollte ein fortlaufender, sich stĂ€ndig vertiefender Erfahrungsaustausch gesichert, sollten die Ergebnisse dieser Reflexionsrunden allen Beteiligten prĂ€sent sein und durch sie an die Schulen weitergegeben werden. Der Nachteil, dass nur wenige Personen an diesem Prozess teilnehmen durften, wurde in Kauf genommen zugunsten der erhofften vertieften Reflexion.
Zugleich wurde ein Verfahren fĂŒr die Hospitationsbesuche vereinbart. Die besuchten Schulen sollten intensiv einbezogen werden, um die Impulse aus den gemeinsamen Reflexionsrunden und dem Feedback der GĂ€ste bestmöglich fĂŒr die eigene Unterrichts- und Schulentwicklung nutzen zu können.
Auf diese Weise haben die Mitglieder des Schulverbunds â etwa 25 Lehrerinnen und Lehrer, Leiterinnen und Leiter aus 16 Schulen in staatlicher und freier TrĂ€gerschaft â bis Ende 2002 insgesamt acht âSchultagungenâ (Hospitationsbesuche) und sechs âExpertentreffenâ zu schulpĂ€dagogischen und didaktischen Einzelfragen durchgefĂŒhrt, organisiert von Christel GrĂŒnwald, Otto Seydel und Wolfgang Harder.
Dieser â spĂ€ter so genannte â Kreis der âUr-BĂŒZÂŽlerâ wurde wĂ€hrend dieser ersten Phase zu einer sehr intensiv arbeitenden Gruppe und entwickelte im Sinne der oben genannten Ziele ein wachsendes gemeinsames Bewusstsein von SchulqualitĂ€t, von den Herausforderungen, die an alle Schulen gestellt sind, aber auch von unterschiedlichen Sichtweisen und Urteilskriterien. Eine schriftliche Niederlegung der gemeinsamen Prinzipien gab es in dieser ersten Phase bewusst nicht â nicht zuletzt aus der Sorge, dass zu diesem Zeitpunkt ein Ringen um die richtigen SĂ€tze den spontanen Blick der âkritischen Freund*innenâ verstellt hĂ€tte. Zugleich zeichneten sich sehr bald wiederkehrende Probleme ab, darunter die Frage, wie solche Impulse fĂŒr eine nachhaltige Implementation genutzt und wie die Feedback-Runden weiter optimiert werden können.
Allen Mitgliedern der BĂŒZ-Gruppe war bewusst, dass das gemeinsam erworbene Wissen und dieser Erfahrungsschatz nicht âexklusivâ bleiben, sondern an die Schulen weitergegeben und von ihnen geteilt werden sollte.
Der Kreis der ursprĂŒnglich 16 Schulen wurde im Laufe der ersten Jahre kleiner. DafĂŒr gab es unterschiedliche GrĂŒnde: Die Teilnehmenden trugen die Kosten fĂŒr die Hospitationen weitgehend selbst, was einigen nicht tragbar erschien; einige Schulen scheuten die mit den Besuchen verbundene Arbeitsbelastung, andere hatten zu viele eigene âBaustellenâ und stiegen deshalb aus. Bei einigen Schulen gab es auch EnttĂ€uschung ĂŒber das Feedback der Besucher, das sie nicht als konstruktiv genug wahrgenommen hatten.
Bei einem Treffen der verbliebenen BĂŒZ-Gruppe 2002 in Frankfurt ging es um die Entscheidung: Sollte die verbindliche Zusammenarbeit beendet werden oder war ein Neustart möglich mit verĂ€nderter â jetzt auch explizit nach auĂen gerichteter â bildungspolitischer Perspektive?
Einen konkreten AnstoĂ fĂŒr eine weitergehende Ăffnung boten die Ergebnisse der ersten PISA-Studie, die dadurch angestoĂene öffentliche Diskussion, wie der âOutputâ von Schulen optimiert werden könnte, und die darauffolgenden Entwicklungen im Schulsystem. Die BĂŒZ-Runde beschloss, den Kreis der teilnehmenden Schulen zu erweitern und die in der Praxis vielfach bestĂ€tigte âPhilosophieâ des Schulverbunds öffentlich zu dokumentieren. Zu diesem Zeitpunkt ging zugleich die Leitung des Arbeitskreises von Otto Seydel an Wolfgang Harder ĂŒber.
Zwei GrĂŒnde waren maĂgeblich fĂŒr den Neuaufbruch:
(1) Dem zunehmend verengten öffentlichen VerstĂ€ndnis von SchulqualitĂ€t als Summe messbarer Leistungen sollte das weit gefasste und auf pĂ€dagogischen GrundsĂ€tzen beruhende VerstĂ€ndnis der BĂŒZ-Schulen von Lernen, Leistung und SchulqualitĂ€t als Korrektiv gegenĂŒbergestellt werden.
(2) Durch die Aufnahme weiterer Schulen, die sich diesen GrundsĂ€tzen verpflichtet wissen, sollte eine möglichst groĂe Resonanz dafĂŒr geschaffen werden.
Auf dieser Basis entstand das von Annemarie von der Groeben und Wolfgang Harder erarbeitete und vom damaligen Plenum spĂ€ter verabschiedete âLeitbild einer guten Schuleâ. Es benennt und kommentiert vier GrundĂŒberzeugungen, an denen BĂŒZ-Schulen sich orientieren. Daraus sind Fragen abgeleitet, die als Leitfaden fĂŒr die Hospitationsbesuche gelten sollten. Das Leitbild wurde 2003 in einem âAufruf fĂŒr einen Verbund reformpĂ€dagogisch engagierter Schulenâ publiziert.
Dieser Aufruf erfuhr eine durchweg positive Resonanz. Um konkrete VerĂ€nderungsarbeit in Schulen anzustoĂen, sollte in einem erweiterten Dokument prĂ€zisiert werden, wie die GrundĂŒberzeugungen im konkreten Schulalltag umgesetzt werden können und mĂŒssen.
Basierend auf dieser Idee entwickelte eine Arbeitsgruppe auf der Grundlage eines Entwurfs von Annemarie von der Groeben die âStandards fĂŒr eine gute Schuleâ. Ihr gehörten Personen aus unterschiedlichen Schulformen und Schulen an: Alfred Hinz und Ursula Herchenbach von der Bodenseeschule Friedrichshafen, Annemarie von der Groeben und Susanne Thurn von der Laborschule Bielefeld, Ingrid Kaiser von der Helene-Lange-Schule Wiesbaden, Barbara Riekmann von der Max-Brauer-Schule Hamburg, Ulrich Schmermund aus dem Landschulheim SteinmĂŒhle, Wolfgang Harder von der Odenwaldschule, zeitweise Otto Seydel und Erika Risse vom Elsa BrĂ€ndström-Gymnasium Oberhausen.
Zu jedem der vier Prinzipien wurde die konkrete Umsetzung auf drei Ebenen operationalisiert: auf der des pĂ€dagogischen Handelns, auf der der schulischen und der der systemischen Rahmenbedingungen (siehe Publikationen & Downloads >> BroschĂŒren).
Ab 2004 wurden die Weichen fĂŒr einen qualitativen und quantitativen Ausbau des Schulnetzwerks gestellt. Die âStandardsâ, die sich auf das Leitbild bezogen, wurden verabschiedet. Sie waren explizit als Korrektiv und ErgĂ€nzung zu den âBildungsstandards fĂŒr die KernfĂ€cherâ entworfen worden, die in Folge der PISA-Diskussion von der KMK entwickelt wurden. Seit ihrer Veröffentlichung Anfang 2005 haben die BĂŒZ-Schulen mit den Standards einen festen Referenzrahmen fĂŒr die eigene Unterrichts- und Schulentwicklung und zugleich eine Orientierung fĂŒr die Schulbesuche.
Im Rahmen einer ersten groĂen Tagung im Mai 2004 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar öffnete sich das Netzwerk fĂŒr weitere interessierte Schulen. Inhaltlicher Schwerpunkt der Tagung unter dem Thema Neuordnung und Erweiterung des Schulverbunds (Hofgeismar I) war das BemĂŒhen, die âPhilosophieâ des BĂŒZ im Kontext der bildungspolitischen Entwicklungen neu bewusst zu machen. Das Impuls-Referat hielt Andreas Schleicher (Mitglied des PISA-Konsortiums). Die Tagung war der Auftakt zu der sich anschlieĂenden Erweiterungsphase. Die bestehenden Mitgliedsschulen wurden um neue erweitert, die ersten vier Arbeitskreise konstituierten sich. Zugleich wurden die Zielsetzung und die Struktur dieser Tagung maĂgeblich fĂŒr alle folgenden:Â
- Es gibt ein Tagungsthema und ein Impuls-Referat dazu.
- Es gibt thematische Workshops, ggf. mit weiteren Referaten, um das Thema zu vertiefen und Erfahrungen in der Praxis der Schulen zu dem Thema auszutauschen.
- Es gibt Zeit fĂŒr die Arbeitskreise.
- Es gibt begleitende Ausstellungen, die die Arbeit der Schulen dokumentieren, und/oder ein begleitendes Kulturprogramm.
- Es gibt ausreichend Gelegenheit fĂŒr den Austausch untereinander und mit unterschiedlichen kulturellen Angeboten.
Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung, fand im November 2006 eine weitere Tagung statt â wiederum in der Evangelischen Akademie Hofgeismar (Hofgeismar II). An ihr nahmen bereits ĂŒber 100 Schuleiterinnen, Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer aus den zwischenzeitlich 54 Mitgliedsschulen teil. Sie verabschiedeten einstimmig eine âErklĂ€rung von Hofgeismarâ unter dem Titel âSchule ist unsere Sache â ein Appell an die Ăffentlichkeitâ. Die BegrĂŒndung dieses Appells findet sich in einer umfangreichen Denkschrift âSchule ist unsere Sacheâ von Annemarie von der Groeben. Nach intensiver Diskussion in Hofgeismar entstand daraus eine BroschĂŒre (siehe Publikationen & Downloads >> BroschĂŒren).
Das Impulsreferat hielt Hans BrĂŒgelmann. Er stellte ein Konzept zur Auswahl spezifischer Verfahren und Werkzeuge fĂŒr die Evaluation und QualitĂ€tsentwicklung von Reformschulen vor. Dieses Konzept dient als Orientierungsrahmen fĂŒr Evaluationsprozesse in den Schulen (siehe Publikationen & Downloads >> BroschĂŒren).
Die âErklĂ€rung von Hofgeismarâ hat in der schul- und bildungspolitischen Ăffentlichkeit nicht nur an einzelnen reformorientierten Schulen, sondern auch bei verschiedenen VerbĂ€nden und Institutionen viel Aufmerksamkeit und Zustimmung gefunden. Zwei Beispiele: ein Appell der Delegiertenversammlung des âGrundschulverbandes â Arbeitskreis Grundschule e. V.â und die AbschlusserklĂ€rung einer Seminarreihe der âVirtuellen Akademieâ der Friedrich-Naumann-Stiftung. Ferner hat der Hauptvorstand der GEW am 15./16.6.2007 die UnterstĂŒtzung der âErklĂ€rung von Hofgeismarâ und deren weitere Verbreitung beschlossen.
Im Mai 2008 fand die dritte Fachtagung unter dem Thema âNeuordnung und Zukunftsstrategieâ (Hofgeismar III), zu der auch Vertreterinnen und Vertreter von ElternverbĂ€nden eingeladen waren. Die Einbeziehung von Eltern war ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt. Das Impulsreferat hielt wiederum Hans BrĂŒgelmann zum Thema âDer âBlick ĂŒber den Zaunâ erweitert sich â Innovation mit Mut und MaĂ zwischen Skylla und Charybdis der Schulreformâ. Seine Botschaft: Jede Reformstrategie hat spezifische StĂ€rken, deren Potenzial aber nur um den Preis entsprechender Risiken zu haben ist. Nur wenn der âBlick ĂŒber den Zaunâ die Risiken einer zahlenmĂ€Ăigen VergröĂerung aufmerksam im Blick behĂ€lt, wird er die inhaltliche Kraft der Pioniere erhalten können.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Neuordnung der Organisation des Schulverbunds durch die Einrichtung einer âReformpĂ€dagogischen Arbeitsstelle âBlick ĂŒber den Zaunââ, die im Sommer 2008 ihre Arbeit an der UniversitĂ€t Siegen aufgenommen hat. Möglich war die Einrichtung durch die Förderung der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft sowie der Robert Bosch Stiftung.
FĂŒr die Planung weiterer Tagungen wurde beschlossen, die vier âGrundĂŒberzeugungenâ, die das Leitbild konstituieren, thematisch in der Reihenfolge der ihnen entsprechenden Standards zu vertiefen.
Mit der Zunahme der Mitgliedsschulen wurde es zugleich notwendig, die Organisation und Leitung des Schulverbunds zu regeln. Diese Arbeit hat weitgehend Wolfgang HarderÂ ĂŒbernommen â inzwischen Sprecher der Vereinigung der Landerziehungsheime und Leiter der dortigen pĂ€dagogischen Arbeitsstelle. Er war es auch, der die Erweiterung vorantrieb und die Leitung fĂŒr diesen Ausbauprozess ĂŒbernahm, mit neuen Schulen verhandelte, die ModalitĂ€ten der Aufnahme regelte, die Tagungen in Hofgeismar konzipierte und vorbereitete und in Absprache mit der BĂŒZ-Gruppe Rahmenvorgaben fĂŒr die Organisation und Leitung des erweiterten Schulverbunds erarbeitete, die bei der Tagung vom Plenum bestĂ€tigt wurden (siehe Homepage >> Struktur des Schulverbunds). Dr. Wolfgang Harder leitete den Schulverbund bis 2008.
In diese Zeit fÀllt auch
- die Umbenennung in Schulverbund âBlick ĂŒber den Zaunâ und Findung eines neuen Logos
- die GrĂŒndung der Arbeitsstelle
- die GrĂŒndung des Vereins âBlick ĂŒber den Zaunâ e.V. zur Absicherung der Abwicklung der Finanzen
- die Entwicklung regelmĂ€Ăig stattfindender Tagungen, die dazu dienten, das Gemeinsame zwischen allen Schulen und den Arbeitskreisen bewusst zu machen
Die Nachfolge von Dr. Wolfgang Harder ĂŒbernahm Prof. Hans BrĂŒgelmann, unterstĂŒtzt von Axel Backhaus als Leiter der neu gegrĂŒndeten Arbeitsstelle. Er ĂŒbernahm im Zeitraum von 2008 bis 2014 als Sprecher des BĂŒZ die organisatorische Steuerung der Arbeit, der Hospitationsbesuche, der regelmĂ€Ăigen Treffen und der Tagungen. In diese Zeit fĂ€llt auch die Etablierung der zweimal jĂ€hrlich tagenden Gruppe der AK-Sprecher/innen fĂŒr die Koordination der inhaltlichen Arbeit â der sogenannten Koordinierungsgruppe (KOO). 2012 ĂŒbernahm Dr. Hans Kroeger diese Aufgabe, ab 2014 unterstĂŒtzte ihn Vivien Holweg, die Axel Backhaus ablöste.
Bis 2013 wurden insgesamt 16 Arbeitskreise gegrĂŒndet. Die Mitgliedsschulen treffen sich nun etwa halbjĂ€hrlich zu Schulbesuchen, um orientiert an den Standards  und ergĂ€nzt durch eine vorher von der besuchten Schule festgelegten Fragestellung im Unterricht zu hospitieren und GesprĂ€che mit verschiedenen Akteursgruppen an der jeweiligen Schule zu fĂŒhren. Auf Basis der gewonnenen EindrĂŒcke geben die Beobachterinnen und Beobachter eine RĂŒckmeldung, die die besuchte Schule zu ihrer Weiterentwicklung nutzen kann. Verbindende Grundlage der Schulbesuche ist der âLeitfaden fĂŒr Hospitationsbesucheâ, der die Zusammenarbeit der Schulen in den Arbeitskreisen beschreibt und im Jahr 2008 veröffentlicht wurde (siehe Publikationen & Downloads >> BroschĂŒren).
Der Schulverbund war mittlerweile so groĂ geworden, dass die RĂ€umlichkeiten in Hofgeismar fĂŒr eine Gesamttagung nicht mehr ausreichten. Die nĂ€chste Tagung fand darum im Jahr 2010 im Kardinal Schulte Haus in Bensberg statt. Thema war der erste Standardbereich: âDen Einzelnen gerecht werdenâ. Schwerpunkt sollte die Konzentration auf die Leistungsproblematik sein: âLeistung herausfordern, begleiten, wĂŒrdigenâ. Das Impuls-Referat hielt Remo Largo. Mit der Bensberger ErklĂ€rung zum Thema Leistung sprechen sich die BĂŒZ-Schulen fĂŒr verĂ€nderte Formen der Leistungsbewertung auf der Grundlage eines weit gefassten Lern- und LeistungsverstĂ€ndnisses aus (siehe Publikationen & Downloads >> ErklĂ€rungen).
Kurzfristig wurde das Thema sexueller Missbrauch auf Grund des Skandals an der Odenwaldschule zu einem besonderen Tagungsschwerpunkt. Die Aufdeckung der schweren Verbrechen an SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern, des Systems von Missbrauch, UnterdrĂŒckung und Vertuschung sowie der jahrelangen UnfĂ€higkeit der Verantwortlichen, die Dinge aufzuklĂ€ren und einer gerichtlichen Aufarbeitung zuzufĂŒhren, erschĂŒtterten den Schulverbund tief. Einige Menschen, die den BĂŒZ ĂŒber einige Jahre geprĂ€gt haben, haben eng mit dem ehemaligen Leiter der Odenwaldschule, Gerold Becker, zusammengearbeitet. In einer gemeinsamen ErklĂ€rung sollte eine deutliche Stellungnahme gegen sexuelle Gewalt gegenĂŒber Kindern und Jugendlichen formuliert werden. Der erste Entwurf wurde zunĂ€chst kontrovers in den Arbeitskreisen diskutiert, unter breiter Beteiligung ĂŒberarbeitet und schlieĂlich im Sinne einer Selbstverpflichtung als âErklĂ€rung zu sexueller Gewalt gegenĂŒber Kindern und Jugendlichenâ einstimmig verabschiedet (siehe Publikationen & Downloads >> ErklĂ€rungen). Die ErklĂ€rung macht deutlich, wie wichtig die persönliche Beziehung zwischen Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen als Grundlage des Lernens weiterhin ist. Entscheidend wichtig ist dabei aber eine stets reflektierte Balance von NĂ€he und Distanz, die zur ProfessionalitĂ€t jedes PĂ€dagogen/jeder PĂ€dagogin dazugehört.
Im Anschluss an die Tagung wurde das Buch âWir wollen Schule machenâ (Annemarie von der Groeben) im Schulverbund besprochen und spĂ€ter im Verlag Budrich veröffentlicht.
Im Jahr 2013 fand die fĂŒnfte Tagung zum zweiten Bereich der BĂŒZ-Standards âDas andere Lernenâ in den Bielefelder Schulprojekten Laborschule und Oberstufenkolleg statt. Dabei ging es schwerpunktmĂ€Ăig um die Herausforderung, Inklusion an unseren Schulen umzusetzen. Zum Tagungsthema âLernen â all inclusiveâ hielt Sylvia Löhrmann, Kultusministerin in NRW, das Impulsreferat. Bei dieser Tagung wurde erstmalig ein erweitertes Format erprobt. Es gab auĂer dem Impulsreferat weitere zu den festgelegten Unterthemen, gefolgt von Workhops und unterbrochen von âOpen-Spaceâ-Phasen. In der Bielefelder ErklĂ€rung zum Thema âLernen â all inclusiveâ hat der Schulverbund seine Position zum Thema zusammenfassend prĂ€zisiert (siehe Publikationen & Downloads >> ErklĂ€rungen).
Bei dieser Tagung wurde die PĂ€dagogische Werkstatt âIndividualisierungâ als Angebot fĂŒr BĂŒZ-Schulen von Annemarie von der Groeben und Ingrid Kaiser vorgestellt, die das Konzept im Auftrag der Robert Bosch Stiftung erarbeitet und die aus (damals) 4 Bausteinen bestehende Langzeit-Fortbildung mehrmals durchgefĂŒhrt hatten, vor allem fĂŒr BĂŒZ-Schulen. Die positiven Erfahrungen mit diesem Instrument fĂŒhrten zu dem Beschluss, dass es allen interessierten Schulen des Verbunds angeboten werden solle.
Im Jahr Herbst 2015 ĂŒbernahm erstmalig ein Team aus vier Personen die Aufgabe der Leitung des Schulverbunds. Diesem Sprecher:innen-Team gehörten an: Angelika Fiedler, Cornelia von Ilsemann, Ulla Kreuz, Andreas Niessen. Die Arbeitsstelle war kurzzeitig am Zentrum fĂŒr Lehrerbildung der UniversitĂ€t Köln angesiedelt. 2016 schloss der Verein des Schulverbunds mit der UniversitĂ€t Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft, einen Kooperationsvertrag ab: Am Arbeitsbereich SchulpĂ€dagogik & Schulforschung von Frau Prof. Dagmar KillusÂ ĂŒbernimmt die Arbeitsstelle seitdem verlĂ€sslich und professionell die GeschĂ€ftsfĂŒhrung und Koordination des Schulverbunds, geleitet von Dr. Franziska Carl, die wĂ€hrend ihrer Elternzeit im Jahr 2017 von Jan Hendrik Hinzke vertreten wurde.
In den ersten Jahren haben Sprecher:innen-Team und Arbeitsstelle den Verbund stabilisiert und die Kommunikation nach innen und nach auĂen weiterentwickelt. Die Datenlage, die Homepage, Veröffentlichungen, Plakate und Flyer wurden auf den neusten Stand gebracht.
Eine wesentliche Entscheidung betraf die Arbeitskreise: Die bislang eher informelle Regelung, dass Arbeitskreise nach zwei Schulbesuchsrunden, also nach etwa 10 Jahren aufgelöst und neu zusammengesetzt werden, wurde nun von der KOO nach intensiver Diskussion in den Arbeitskreisen als verbindliche Regel beschlossen. FĂŒr manche war dies schmerzlich. In der Sache aber ermöglicht die Neuzusammensetzung frische und verĂ€nderte Perspektiven bei den Schulbesuchen. Sie erleichtert zudem die Aufnahme neuer Schulen, die in bestehende Arbeitskreise integriert werden können.
Neben den Schulbesuchen als wichtigstes Element der Arbeit im BĂŒZ und den Tagungen entwickelten sich die regelmĂ€Ăig angebotenen PĂ€dagogischen WerkstĂ€tten zum dritten Standbein des BĂŒZ. Dieses Fortbildungsangebot möchte Schulen dabei unterstĂŒtzen, produktive Antworten auf die zunehmende HeterogenitĂ€t der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler zu finden.
Die Zusammenarbeit mit der UniversitĂ€t Hamburg ermöglicht einen wissenschaftlichen Blick auf den BĂŒZ: So sind die Schulbesuche etlicher Arbeitskreise Gegenstand einer wissenschaftlichen Begleitung. Das Verfahren selbst soll klarer beschrieben werden, wobei verbindliche und selbst zu gestaltende AblĂ€ufe deutlich voneinander abgegrenzt werden sollen. Eine entsprechende Vereinbarung soll insbesondere den neu entstehenden Arbeitskreisen von Anbeginn an eine Orientierung geben. Im Zusammenhang damit wurde die BroschĂŒre âSchulen lernen von Schulen â VorschlĂ€ge zur Planung und organisatorischen Ausgestaltung von Peer Reviews durch kritische Freundeâ von einer Arbeitsgruppe vollstĂ€ndig ĂŒberarbeitet. Entstanden ist ein Leitfaden fĂŒr Peer Reviews im Schulverbund ‘Blick ĂŒber den Zaun’.
Die sechste groĂe Tagung zum dritten Standardbereich âPartizipation â Verantwortung â Demokratieâ in der Georg Christoph Lichtenberg Gesamtschule im Jahr 2016 mit ca. 250 Personen hat gezeigt, welche Potentiale die Schulen bei diesem so aktuellen Thema mitbringen. Die Gastgeberschule hat den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein ĂŒberwĂ€ltigendes Willkommen bereitet, die Tagung selbst war inhaltlich anregend und hat den Zusammenhalt des Schulverbunds gestĂ€rkt. Angesichts der weiter zunehmenden Zahl der teilnehmenden Schulen und Personen erwies sich erneut, dass groĂe BĂŒZ-Schulen besonders geeignete Standorte fĂŒr solche Tagungen sind. Gerade fĂŒr das Thema âSchule als Gemeinschaftâ war der lebendige Eindruck des Lebens und Lernens in dieser Gesamtschule prĂ€gend.
Das Impuls-Referat trug Peter Fauser vor. Einen weiteren Hauptvortrag zum Thema Kinderrechte hielt Lothar Krappmann. Das bewĂ€hrte Format (ImpulsvortrĂ€ge und zahlreiche Workshops) wurde beibehalten. Es gab ein flankierendes Kulturprogramm. Zu den Themen Partizipation, Verantwortung und Demokratie tauschten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den verschiedensten Foren und Gruppen ihre Erfahrungen dazu aus, wie Kinder und Jugendliche zur aktiven Gestaltung der demokratischen Gesellschaft ermutigt werden können. Angesichts der GefĂ€hrdung unserer Demokratie ist das Thema aktueller denn je. Am Ende der Tagung wurde deshalb die gemeinsame ErklĂ€rung zum Thema mit groĂer Mehrheit verabschiedet: âDemokratie â jetzt erst rechtâ.
Parallel dazu werden auf Wunsch von Mitgliedsschulen als neues Format regionale Tagungen erprobt: In Hamburg fand im Jahr 2017 eine eintĂ€gige Tagung zum Thema âMathematik begeistertâ statt, in Köln im FrĂŒhjahr 2018 zu den Vernetzungsbedarfen der Schulen im Rheinland.
Auch ohne Werbung nach auĂen interessieren sich weiterhin viele verschiedene Schulen fĂŒr eine Mitgliedschaft. Das Aufnahmeverfahren ist inzwischen klar definiert. Dazu gehört auch der Besuch von an der Aufnahme interessierten Schulen durch BĂŒrg:innen vor der Entscheidung ĂŒber die Mitgliedschaft im Schulverbund.
Mit groĂer Trauer mussten wir 2017 Abschied nehmen von Angelika Fiedler aus dem Sprecher:innen-Team, die plötzlich verstorben war. Sie fehlt uns mit ihrer langjĂ€hrigen Kenntnis des BĂŒZ, ihrem groĂen Herzen und dem ansteckenden Lachen! Seit FrĂŒhjahr 2018 ist Tim Hagener kommissarisch in das Sprecher/innen-Team eingestiegen. Ulla Kreutz hatte entschieden, nicht wieder zu kandidieren. Als Mitglieder eines neuen Sprecher:innen-Teams hat die KOO im Herbst 2018 fĂŒr drei Jahre gewĂ€hlt: Christine Beermann (Lemgo), Cornelia von Ilsemann (Hamburg), Tim Hagener (Hamburg), Andreas Niessen (Köln). Als neuer Vorsitzender des Vereins wurde Dieter Stuke (Minden) gewĂ€hlt. In den Folgejahren soll es wieder stĂ€rker um inhaltliche Schwerpunkte gehen. Die Diskussion ĂŒber eine Gesamtstrategie fĂŒr die Entwicklung des BĂŒZ hat in der KOO begonnen.
Die siebente groĂe Gesamttagung des Schulverbunds zum vierten Standardbereich âSchule als lernende Institutionâ fand wiederum in der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen statt. 270 PĂ€dagog:innen aus ĂŒber 110 Schulen tauschten ihre Erfahrungen zum Thema aus, lernten in verschiedenen Formaten voneinander und vernetzten sich miteinander. Auch 10 Studierende des Vereins âKreidestaubâ nahmen an der BĂŒZ-Tagung 2019 teil und gaben dem Schulverbund am Ende ein Feedback als âkritische Freundeâ. Parallel tagten 55 SchĂŒler:innen des Austauschnetzwerks âBlickRichtungVielfaltâ mit teils eigenen Programmphasen zum Thema âMitreden bei Schulentwicklungâ.
Den Auftaktvortrag hielt Albert Schmitt, GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Unter dem Titel âHochleistung braucht Dissonanzâ beschrieb er Lernprozesse fĂŒr Orchester im 21. Jahrhundert und zeigte an vielen Beispielen auf, welche entscheidende Rolle Kontroversen und Spannungsfelder dabei gespielt haben. Schmitt inspirierte die Teilnehmer:innen dazu, diese Erkenntnisse auf die Entwicklungsprozesse von Schulen zu ĂŒbertragen. Ausgehend von einem Impuls von Ulrike Kegler (Montessorischule Potsdam) und Sabine Schirop (Werbellinseeschule Berlin) zum Thema âLerngeschichtenâ bauten die Vertreter:innen der BĂŒZ-Schulen am Freitag Modelle ihrer eigenen Lerngeschichten und reflektierten mögliche Gelingensbedingungen erfoglreicher Schulentwicklung. Einblick in die Spannungsfelder von Schulentwicklungsprozessen boten 27 Workshops, die von BĂŒZ-Schulen und Kooperationspartnern angeboten wurden. Die Tagung endete mit der ErklĂ€rung âSchulentwicklung ist unsere Sacheâ.